Ansprache am Abend des 15.03.2025
#1
Alrun tritt vor das Volk am Irkgard. Zusammengetrieben von der Propagandamaschinerie des Zentralkommandos haben sich hier hunderttausende versammelt. Die Kameras sind auf die Bühne gerichtet.

Sie erscheint nicht einfach – sie betritt die Bühne mit der unerschütterlichen Präsenz eines Kriegsfürsten, eines Herrschers, der aus Stahl und Schatten gewoben ist. Ihre Uniform ist keine bloße Dienstkleidung, sondern eine Machtdemonstration in Stoff und Metall.

Ein langer, hochgeschlossener Mantel aus schwerem, tiefschwarzem Stoff umhüllt ihre Gestalt, mit dunkelroten und goldenen Verzierungen, die sich wie Runen über die Ärmel und den Rücken ziehen. Die Schultern tragen eine subtile Panzerung, nicht wuchtig, sondern formvollendet – ein Symbol der Unnachgiebigkeit. In das Gewebe ist das Wappen Irkaniens geprägt, kaum sichtbar im Dämmerlicht, aber für jene, die nahe genug stehen, unmissverständlich.

Darunter zeichnet sich eine eng anliegende schwarze Uniform ab, maßgeschneidert und funktional, doch mit metallischen Elementen versehen, die an alte Feldherren erinnern. Ein breiter, bestickter Gürtel aus dunklem Leder umschließt ihre Taille, der Verschluss graviert mit Inschriften aus der alten Sprache.

Ihre Hose aus verstärktem Material sitzt präzise, geschaffen für Bewegung und Kontrolle. Die hochgeschlossenen Stiefel, aus schwarzem, poliertem Leder, mit stählerner Verstärkung an Ferse und Spitze, hallen dumpf auf dem Boden, jeder Schritt eine stille Drohung, eine Verkündung der unausweichlichen Ordnung.

Über ihre Handschuhe aus schwerem, dunklem Leder, die bis zum Unterarm reichen, ziehen sich dezente Gravuren – Zeichen von Macht, deren Bedeutung nur jene kennen, die die tiefen Codes der Republik lesen können.

Auf ihrem Haupt trägt sie keine Krone – sie braucht keine. Vielleicht ein schmuckloses Barett oder ein metallener Stirnreif, nicht zur Zierde, sondern als Symbol, dass sie nicht regiert, weil sie gewählt wurde, sondern weil ihre Herrschaft eine Tatsache ist.

Das Volk schweigt. Der Irkgard hält den Atem an. Die Kameras warten.



Ich sprach und ward gehört: Meine Namen sollt ihr kennen, so höret und gedenket.
Ich bin Alrun die Ungebrochene, Amalbalde die Schwertgetränkte, die Netzweberin, die Axtmutter, die Herrin der Eisenfäden. Bin Runenkünderin und Schattenwacht, die Sturmgeborene, die auf Schiffsgraten reitet und Blut auf Runensteine bringt.
Man rief mich Lohtochter und Flammenschmiedin, Wargmähre und Nebelschneiderin. Ich bin Schwurbinderin, Eidbrecherin, Schlachtenzählerin. Meine Zunge ist Schwert und meine Klinge ein Urteil. Ich bin Wächterin über Blut und Brand, über Ehre und Eisen.
Mein Wort ist Runenschnitt auf gebleichten Gebeinen, mein Schweigen ist der Hall der kommenden Wölfe.
Mein Schild ist Erz und Sturm, meine Klinge Glut und Gischt, meine Hand waltet über Leben und Tod. Ich bin die, die den Wehgesang der Schlacht kennt, die, die mit Stahl in den Händen und Schatten im Blick waltet.
Die Götter flüstern meinen Namen im Wind, meine Feinde raunen ihn in Furcht, meine Getreuen sprechen ihn in Schwur und Blutsbund. Ich bin Amalbalde, die Unermüdliche, die Rabenherrin, die Sturmkindgeborene.
Mein Reich ist aus Feuer und Flut gewoben, meine Stimme ein Kriegshorn im Nebel, mein Zepter aus Draht und Runenholz, aus Blut und Schicksalsfäden. Ich bin die Fährmann der Zeiten, die Säerin des Verderbens, die Schnitterin des Sturms.


Die letzten Worte der Rede verhallen, als die Sonne den westlichen Horizont berührt. Ein Moment der Stille liegt über der versammelten Masse, die Dämmerung taucht den Irkgard in goldene Schatten. Hunderttausende schweigen, die Kameras laufen noch. Dann hebt Alrun langsam die Hand – eine Geste, ruhig, bestimmt, unaufhaltsam wie ein Gesetz – und deutet nach Osten.

Sehet“, spricht sie, ihre Stimme getragen von den Lautsprechern über den Platz.

Und so blickt das Volk – erst zögernd, dann fast instinktiv – gen Osten, dorthin, wo der Himmel noch von der letzten Glut des Tages brennt. Dann geschieht es.

Ein Licht, falsch und unbarmherzig, flammt am fernen Horizont auf. Erst ein einzelner, glühender Punkt, ein kurzer, unmenschlich heller Blitz, der für einen Moment selbst die Dämmerung verdrängt. Dann vergeht er wieder – zu schnell, um wirklich zu begreifen, doch zu schrecklich, um ihn zu vergessen.

Ein zweites Licht neben der Sonne, für einen einzigen, gottlosen Augenblick.

Einige ringen nach Atem, andere blinzeln, unfähig zu verstehen, was sie eben gesehen haben. Die Dämmerung kehrt zurück, als wäre nichts geschehen – doch in der Ferne bleibt ein fahler, rötlicher Schleier, ein Nachglühen in den höchsten Schichten der Luft, kaum sichtbar, aber spürbar wie der letzte Schimmer eines getöteten Sterns.

Dann: Stille.

Keine Druckwelle. Kein Donnern. Nur ein schwarzer Himmel und das Wissen, dass irgendwo, 800 Kilometer entfernt, eine Insel und alles darauf nicht mehr existieren.

Und Alrun? Sie senkt langsam die Hand. Ihre Augen ruhen weiter auf dem Osten. Sie sagt nichts mehr – sie muss nichts mehr sagen.
Titel: Marschall der Freien Irkanischen Republik, Befehlshaberin des 'Kommando Besondere Operationen', Leiterin der Kommandoabteilung Außenpolitik 3 (Harnar und Renzia)
"Die gegenwärtige Epoche ist eine Epoche der Souveränität. Die früher unterdrückten Völker sind als Herren der Welt aufgetreten und bringen die Geschichte nachhaltig voran." — Neujahrsansprache 2020

The Whisper in the Wires
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Ansprache am Abend des 15.03.2025 - von Alrun Amalbalde - 16.03.2025, 00:09

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